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Mancher Long-Covid-Schaden trifft Kinder so oft wie Erwachsene

30. Okt 2021 | Presse, Wissenswertes

Vertreter von Ärzteverbänden reden Covid-Risiken für Kinder leider bislang meist klein. Politiker vermitteln den Eindruck, Schutzmaßnahmen an Schulen hätten nie dem Schutz der Kinder gedient – und könnten entfallen. Doch Maskenpflicht und Schutzmaßnahmen aufzugeben, das dürfte sich für zahlreiche Familien als lebensverändernder Irrtum erweisen.

Auch wenn Kinder zwar oberflächlich betrachtet seltener schwer erkranken, als Erwachsene – sie tragen häufiger als gedacht Folgeschäden davon. „Kinder können an COVID erkranken, versterben und es übertragen“, hält Jana Schroeder fest, Chefärztin des Instituts für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie der Stiftung Mathias-Spital in Münster. Sie verweist auf eine Untersuchung der Barmer Ersatzkasse (BEK) unter den neun Millionen Versicherten. Diese zeigt, dass 6,3 Prozent der Versicherten mit Covid-19-Diagnose längere Zeit arbeitsunfähig waren.

Kinder sind anders von Long-Covid betroffen, aber teils nicht sehr viel weniger, als Erwachsene. Das zeigt eine weitere Studie des Zentrums für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV) und Klinik der TU Dresden, des Instituts für angewandte Gesundheitsforschung Berlin (ingef) und des Robert-Koch-Instituts (RKI). Die Studie greift auf Daten von ganzen 38 Millionen Versicherten zurück. Aus ihnen filterten die Forscher Daten von knapp 150.000 Personen mit labormedizinisch nachgewiesener COVID-19-Erkrankung im ersten Halbjahr 2020 heraus, darunter 12.000 infizierte Kinder und Jugendliche. 

In allen Altersstufen wurden mehr als drei Monate nach Covid-19-Diagnose neue Symptome und Erkrankungen viel häufiger diagnostiziert, als in der jeweiligen Vergleichsgruppe ohne Covid-19-Diagnose – bei Kindern und Jugendlichen 30 Prozent mehr, bei Erwachsenen 33 Prozent. Dass es sich bei anhaltenden Beschwerden um Lockdownfolgen – Long-Lockdown statt Long-Covid, wie zuweilen gemutmaßt – handelt, schließt der im Vergleich deutliche Unterschied aus, der sich im Vergleich mit der nicht infizierten Vergleichsgruppe zeigt.

Interessant ist auch der Blick in Details der Preprint-Studie. Während Folgen fürs Herz bei Kindern viel seltener vorkommen, als bei Erwachsenen, sind es nur etwas weniger Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts. Auch gynäkologische, urologische oder geistig-psychische Erkrankung bei Kindern treten nach Covid-19 nur etwas seltener auf, als bei Erwachsenen. Fast gleich häufig wie bei erwachsenen Infizierten: neurologische Beschwerden oder Schmerzen. 

Die im Winter drohende Infektionswelle dürfte jedenfalls demzufolge auch bei Kindern immensen Bedarf an zusätzlichen Rehakapazitäten auslösen. Erst recht, wenn die Kultusministerien die Infektionswelle ohne Maskenpflicht durch die Schulen laufen lassen. Zur Erinnerung: Die allermeisten Kinder und Jugendlichen infizierten sich dank rascher Schulschließungen überhaupt erst in der dritten Welle: Anfang 2021. Insgesamt hierzulande seit Beginn der Pandemie über 600.000 Kinder. Von ihnen werden bisherigen Studien zufolge vier bis sieben Prozent Long-Covid-Schäden davontragen, für die es seit Jahresbeginn hierzulande eine ärztliche Abrechnungsziffer für die Behandlung gibt.

Erste Long-Covid-Abteilungen extra für Kinder haben im Sommer in Jena und München eröffnet. Bundesweit bauen Kliniken ihre Rehakapazitäten längst für Kinder mit Long-Covid aus. Reichen dürfte das kaum. Im Juni haben sich Mediziner schriftlich an den Ausschuss für Gesundheit des Bundestages gewandt, um ihrer Sorge um mangelnde Rehaversorgung auch ausdrücklich von Kindern mit Long-Covid Ausdruck zu geben. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) warnte damals, es fehlten flächendeckend verfügbare Einrichtungen, in denen Betroffene umfassend behandelt werden könnten.

Kinder brauchen unseren Schutz – um ihrer selbst und ihrer eigenen Gesundheit willen! 

Wir bitten Sie, dies bei Ihrer Berichterstattung zu berücksichtigen.